Europa: CO2-Grenzwerte für Gebäude
Openly steht im stetigen Dialog mit Experten für klimafreundliches Bauen. In der gegenwärtigen, herausfordernden Marktsituation agiert die Branche derzeit vorsichtig und wartet auf regulatorische Entwicklungen, sowohl in der Schweiz als auch in der EU. Positiv ist, dass einige Länder bereits Maßnahmen ergriffen haben, die eine umfassende Betrachtung des CO2-Ausstosses bei Erstellung und Betrieb von Gebäuden ermöglichen. Die Integration der oft vernachlässigten Grauen Energie in nationale Bauvorschriften ist ein entscheidender Schritt zur Förderung zukunftsfähiger Bauweisen und zur Transformation der Branche.
Tiefgreifender Wandel steht an
Die Bauindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel, da sie sich einer ihrer größten Herausforderungen stellen muss: der umfassenden Reduktion von CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Mit einem Anteil von 37 % an den globalen Emissionen hat die Bauwirtschaft eine erhebliche Verantwortung zu tragen – das Achtfache der Emissionen, die durch den Flugverkehr verursacht werden. Während der Fokus in der Vergangenheit hauptsächlich auf den Betriebsemissionen (Heizung, Kühlung & Warmwasser) lag, werden in Europa zunehmend Vorschriften erlassen, die auf die Reduzierung von Emissionen bei der Errichtung von Gebäuden und der Produktion von Baumaterialien abzielen.
Europa als Vorreiter im nachhaltigen Bauen
Europa ist führend bei den Initiativen zur Dekarbonisierung des Bausektors und setzt ehrgeizige Ziele für den Kohlenstoffgehalt. Der Europäische Green Deal und die EU-Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden (EPBD) fordern eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 55 % bis 2030 sowie Klimaneutralität bis 2050. Das Level(s)-Rahmenwerk schafft als komplementäres Instrument ein einheitliches System zur Bewertung der Nachhaltigkeit.
Frankreich und Dänemark: Pioniere bei Obergrenzen
Über die EU-weiten Initiativen hinaus übernehmen Länder wie Frankreich und Dänemark durch strengere nationale Gesetze eine führende Rolle und setzen neue Maßstäbe für nachhaltiges Bauen. Ob andere Staaten diese Ansätze adaptieren werden, um die EU-Ziele zu erreichen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Dänemark
Ab 2025 wird Dänemark strenge CO2e-Grenzwerte pro Quadratmeter für Neubauten einführen, die sowohl den CO2-Ausstoß von Baumaterialien als auch die Emissionen aus Bauprozessen berücksichtigen. Diese Verordnung folgt einem klar strukturierten Zeitplan mit Differenzierungen nach Gebäudetypen, um eine realistische Umsetzung zu gewährleisten. Ein allgemeiner Höchstwert von 7,1 kg CO₂e/m² gilt für die Mehrheit der Gebäude, während Schulen und öffentliche Einrichtungen etwas höhere Grenzwerte erhalten. Ab den Jahren 2025, 2027 und 2029 treten schärfere Regelungen in Kraft. Durch einen Lebenszyklusansatz – vom Materialeinsatz bis zum Abriss – fördern diese Vorschriften Innovationen in der gesamten Branche. Unternehmen setzen zunehmend auf umweltfreundliche Materialien wie recycelten Stahl und biogene Alternativen wie Holz sowie auf sauberere Bauverfahren.
Frankreich
Die französischen Bauvorschriften RE2020 verlangen für alle Projekte eine Lebenszyklusanalyse (LCA), um den Kohlenstoffgehalt messbar zu machen und zu minimieren. Dieser Rahmen drängt Architekten, Ingenieure und Bauträger dazu, Nachhaltigkeit integrativ in jede Phase des Bauprozesses – vom Entwurf bis zur Ausführung – umzusetzen. Durch Anreize für erneuerbare Materialien, energieeffiziente Designs sowie lokale Beschaffung beschleunigt Frankreich den Übergang zur CO2-neutralen Bauweise. Seit dem 1. Januar 2022 ist die Analyse des Embodied Carbon über den gesamten Lebenszyklus von Wohngebäuden verpflichtend; ab 2023 gilt dies auch für andere Gebäudetypen. Im Zentrum steht eine dynamische LCA, die aktuelle Emissionen stärker gewichtet als zukünftige, im Einklang mit globalen Dekarbonisierungszielen. Emissionsarme Baustoffe wie Holz werden favorisiert. Zudem führt die RE2020 schrittweise angesetzte Obergrenzen für das Embodied Carbon ein, um den Bausektor nachhaltig zu dekarbonisieren.
Die aktuellen gesetzlichen Zielvorgaben für die in neuen Gebäuden in Frankreich verursachten Emissionen liegen zwischen 12,8 und 14,8 kg CO2e/m²/Jahr. Diese Zielvorgaben werden in den nächsten Jahren noch weiter gesenkt.
Da die Bauindustrie in Frankreich für 44% des Energieverbrauchs und 25% der CO2-Emissionen verantwortlich ist, wird mit der Verordnung eine umfassende Dekarbonisierung angestrebt. Die Regelung ist umfassender als jene in Dänemark und regelt insbesondere die CO2-Emissionen in späteren Jahren des Betriebs strenger (dynamisches LCA).
Frankreichs Ansatz wird von vielen als potenzielles Modell für andere Länder bzw. für EU-weite Regelungen gesehen.
Bedeutung dieser Vorschriften für die Branche
Die Umstellung auf strengere Nachhaltigkeitsstandards stellt einen grundlegenden Wandel dar, der von der Branche schnelles Handeln und Anpassungsfähigkeit erfordert. Um strenger werdende Vorschriften einzuhalten, müssen Unternehmen biogenen Materialien priorisieren, fortschrittliche Technologien nutzen und Lebenszyklusanalysen (LCAs) in ihre Geschäftsabläufe integrieren. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit wird entscheidend sein, um sich in diesem komplexen regulatorischen Umfeld zurechtzufinden und die sich bietenden Chancen optimal zu nutzen.
Weitere Informationen: 2050-materials.com, green-forum.ec.europa.eu
Medienberichte
Julien Guillaume vom Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) war Ende Mai bei Openly Widnau zu Gast, um sich über unser Bausystem zu informieren. Hier sein Bericht, der in der Westschweizer Tagesschau gezeigt wurde.